Dortmund, 21. Oktober 2024
Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema unserer Zeit und durchdringt alle wissenschaftlichen Disziplinen. Ob in der Energiegewinnung oder Mobilität – viele Forschende suchen nach Wegen, Prozesse ressourcenschonender und dennoch effizienter zu gestalten. Im Gesundheitswesen unterstützt Künstliche Intelligenz (KI) bereits bei der Auswertung medizinischer Bildaufnahmen und dem kontinuierlichen Monitoring von Gesundheitsdaten. Die möglichen Einsatzgebiete, insbesondere von Machine Learning, nehmen stetig zu. Doch mit steigender Größe und Komplexität benötigen die KI-Modelle mehr Ressourcen – darunter nicht nur Energie, Rechenleistung und Speicher, sondern beispielsweise auch Fachwissen. Dieser erhöhte Ressourcenverbrauch wird einige Krankenhäuser und Forschungsinstitute schon bald vor ernsthafte Nachhaltigkeitsprobleme stellen, warnt ein Team aus Forschenden aus den USA, China und Deutschland (ISAS). Ihre Begründung und Lösungen für eine nachhaltige KI im Gesundheitswesen haben die KI-Expert:innen im Fachjournal Nature Machine Intelligence vorgestellt.
Die Ressourcenanforderungen von KI-Systemen variieren über den gesamten Lebenszyklus, von der Entwicklung bis zur Nutzung. Die Autor:innen, darunter Dr. Jianxu Chen vom ISAS, wollen den Aspekt der Nachhaltigkeit daher ganzheitlich betrachten. Dazu setzen sie an, noch bevor ein KI/ML-Modell überhaupt zum Einsatz kommt. Denn für dessen Leistungsfähigkeit sei vor allem die sorgfältige und zeitintensive Vorbereitung der Trainingsdaten ent- scheidend. Bei der wachsenden Menge medizinischer Aufnahmen bleibe die Zahl des medizinischen Fachpersonals jedoch begrenzt, was bereits zu Engpässen in der Datenaufbereitung führe. Auch technische und strukturelle Faktoren spielen eine Rolle. So ließen sich etwa die häufig begrenzten Budgets in Krankenhäusern kaum mit der notwendigen Aufrüstung und Wartung der vorhandenen Speicherinfrastrukturen vereinen. Auch die Netzwerkstrukturen zur Datenübertragung, die in der Regel auf die Datenmengen von KI-Modellen gar nicht ausgerichtet sind, könnten zu Verzögerungen oder Datenverlusten führen. Gleichzeitig ermögliche der Zugang zu leistungsstarken Servern und Supercomputern Forschenden zwar das nötige Grundgerüst, stelle sie dafür aber vor das Problem eines nahezu unhaltbaren Energieverbrauchs.
Lesetipp
Jia, Z., Chen, J., Xu, X., Kheir, J., Hu, J., Xiao, H., Peng, S., Hu, X.S., Chen, D., Shi, Y.
(2023) The importance of resource awareness in artificial intelligence for healthcare. Nature Machine Intelligence (5): 687-698. https://doi.org/10.1038/s42256-023-00670-0
Modelle schrittweise optimieren
Um diesen Herausforderungen so schnell wie möglich zu begegnen, gibt es bereits jetzt Möglichkeiten, bestehende Modelle anzupassen. Statt Systeme von Grund auf neu zu entwickeln, könnten Forschende beispielsweise bereits vortrainierte Modelle aus ähnlichen medizinischen Systemen auf neue Domänen anwenden und anpassen. Ein solches Vorgehen würde nicht nur vergleichsweise wenige Trainingsdaten und Fachwissen benötigen, sondern auch weitaus schneller und einfacher gewünschte Ergebnisse liefern. Eine weitere Möglichkeit besteht laut der Autor:innen darin, bereits bestehende KI/ML-Modelle zu komprimieren. Dabei verringern bestimmte Algorithmen die Menge der Berechnungen in den Modellen, während diese eine vergleichbare Vorhersagegenauigkeit beibehalten. So lässt sich der ökologische Fußabdruck über reduzierte Energiekosten und Speicherplatzbedarf langfristig verringern.
Proaktiver Umgang mit Fragen der Ressourcennachhaltigkeit
Langfristig empfehlen die Forschenden allerdings einen proaktiven Ansatz, der verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit in den Fokus rückt. In Zukunft sei es wichtig, Hardware, Algorithmen und Modelle von Anfang an aufeinander abzustimmen und so die besten Konfigurationen für ressourcenschonende Lösungen zu ermitteln. Im besten Fall sollte ein Kostenmodell die Nachhaltigkeit eines Systems genau vorhersagen und die notwendigen Ressourcen für Modellaktualisierungen sowie Anpassungen im Laufe der Zeit abschätzen. Darüber hinaus könnten ML-Modelle Expert:innen bei der Datenaufbereitung durch eine Art transparente „Eigenständigkeit“ entlasten. Die Autor:innen schlagen vor, vermehrt auf das sogenannte selbstüberwachte Lernen zu setzen, bei dem das Modell die Trainingsdaten vor der Lernphase ohne menschliche Hilfe annotiert. Bei einigen Prozessen, wie der Segmentierung, ist das nicht nur deutlich schneller, sondern beispielsweise auch objektiver. Hierbei setzt das Team auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit: Kontinuierliche Rückmeldungen durch medizinische Expert:innen sollen die Effizienz und Genauigkeit der Modelle verbessern und das Vertrauen in die Technologie stärken.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die MSCoreSys-assoziierte Nachwuchgruppe AMBIOM – Analysis of Microscopic BIOMedical Images unter dem Förderkennzeichen 161L0272.
(Cheyenne Peters)