Dortmund, 8. Juli 2025
Die Herzinsuffizienz (Herzschwäche) gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland – rund vier Millionen Menschen sind betroffen. In der hausärztlichen Praxis vergeht kaum ein Tag, an dem Mediziner:innen nicht mit den Symptomen, Folgeproblemen und Therapieherausforderungen bei Patient:innen mit Herzinsuffizienz konfrontiert sind. In jüngeren Jahren wurde für die Erkrankung ein Arsenal an Medikamenten entwickelt – darunter ACE-Hemmer, Betablocker, SGLT2-Inhibitoren und Mineralokortikoid-Rezeptor- Antagonisten (MRA). Doch die klinische Realität zeigt: Viele Patient:innen bringen zusätzliche Erkrankungen mit, insbesondere chronische Nierenleiden, die den Einsatz dieser Wirkstoffe erschweren oder sogar unmöglich machen. ISAS-Forschende arbeiten deshalb daran, das therapeutische Spektrum für die Herzinsuffizienz gezielt zu erweitern.
Die Herzinsuffizienz ist eine der führenden Todesursachen in Deutschland. Mediziner:innen unterscheiden zwei Hauptformen. Bei der systolischen Herzinsuffizienz ist der Herzmuskel nicht mehr stark genug, um ausreichend Blut in den Kreislauf zu pumpen. Bei der anderen Form – der diastolischen Herzinsuffizienz – pumpt das Organ zwar wie gewohnt, doch das Herz ist steif geworden oder verdickt und füllt sich dadurch nur noch ungenügend mit Blut. Auch das führt dazu, dass weniger Blut als nötig in den Kreislauf gelangt. Betroffene beider Varianten fühlen sich oft kurzatmig und schwach. Häufig sammelt sich Flüssigkeit in ihren Lungen, Armen und Beinen an. Auch können Herzrhythmusstörungen auftreten.
Ein multiorganischer Teufelskreis
Es ist jedoch selten, dass Patient:innen „nur“ unter einer Herzinsuffizienz leiden. Die meisten Betroffenen plagen weitere chronische Erkrankungen. Rund die Hälfte aller Personen mit Herzschwäche weist etwa eine chronische Nierenerkrankung (chronic kidney disease, CKD) auf. Häufig bedeutet dies, dass die Nieren weniger effektiv Giftstoffe und Flüssigkeit aus dem Körper schleusen. Kombiniert mit einer Herzinsuffizienz entsteht daraus ein Teufelskreis: Weil das geschwächte Herz weniger Blut pumpt, werden die Nieren weniger gut durchblutet, was ihre Funktion weiter hemmt. Dadurch sammeln sich zunehmend Flüssigkeit und schädliche Stoffwechselprodukte im Gewebe an, was wiederum das Herz zusätzlich belastet. „CKD-Patient:innen haben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einschließlich struktureller Herzerkrankungen, Herzinsuffizienz und plötzlichen Herztodes“, schreiben Prof. Dr. Kristina Lorenz, Leiterin der Arbeitsgruppe Kardiovaskuläre Pharmakologie am ISAS, und der Allgemeinmediziner Dr. Jonas Knaup, in einem 2024 im Fachjournal MMW – Fortschritte der Medizin erschienenen Beitrag.

Prof. Dr. Kristina Lorenz leitet am ISAS die Arbeitsgruppe Kardiovaskuläre Pharmakologie und die Abteilung Translationale Forschung. Außerdem ist sie Leiterin des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
© ISAS / Hannes Woidich
Lesetipp
Lorenz, K., Knaup, J.
(2024) Nach Krankenhausaufenthalt: Wie die Behandlung weiterführen? MMW – Fortschritte der Medizin, 166, 44–47.
Therapieplan auf wackeligen Säulen
Bei der Behandlung der Herzinsuffizienz stützen sich Ärzt:innen derzeit auf eine „Vier-Säulen-Therapie“ aus verschiedenen Medikamenten: ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker, Angiotensin-Rezeptor- Neprilysin-Inhibitoren, Betablocker, MRA und SGLT2- Inhibitoren. Letzteres ist die bislang einzige Wirkstoffgruppe, die sich sowohl gegen die systolische als auch die diastolische Herzinsuffizienz als wirksam erwiesen hat.
Idealerweise kommen diese vier Säulen gleichzeitig zum Einsatz, um nicht nur die Herzinsuffizienz-Symptome zu lindern, sondern auch das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen. Doch bei Patient:innen mit Komorbiditäten – insbesondere mit CKD – fällt dieser Therapieplan schnell auseinander, wenn die geschwächten Nieren überlastet werden und die Wirkstoffe etwa nicht wieder effektiv aus dem Körper spülen. „Manchmal fällt eine Säule weg, manchmal gleich drei“, berichtet Knaup aus seinem Praxisalltag.
In manchen Fällen bleibt für die multimorbiden Patient:innen schließlich nur noch die Option der Symptombekämpfung mit Diuretika, also harntreibenden Medikamenten. Diese reduzieren zumindest die bei der Herzinsuffizienz typischen Flüssigkeitsansammlungen im Körper. Doch bei fortgeschrittener Nierenschwäche stößt auch diese Strategie irgendwann an ihre Grenzen. „Der Balanceakt wird immer schwieriger“, sagt Knaup. Langfristige Hoffnung für Hausärzt:innen wie Knaup gibt es am ISAS, wo das Team um Pharmakologin Lorenz derzeit an gleich mehreren vielversprechenden neuen medikamentösen Ansätzen arbeitet.

Dr. Jonas Knaup ist Facharzt für Allgemeinmedizin im Medizinischen Versorgungszentrum Burgbernheim.
© Privat
Stressresistentes Herz dank Proteinen?
Zum einen entwickeln die Forschenden am ISAS Strategien gegen die pathologischen Umbauprozesse im Herzmuskel, die mit einer Herzschwäche einhergehen: Wenn die Schlagkraft des Herzens nachlässt und damit die Blutversorgung in den Organen abnimmt, schüttet der Körper Stresshormone aus. Diese treiben das Herz an, schneller und heftiger zu schlagen. Kurzzeitig befeuert dies tatsächlich die körperliche Leistungsfähigkeit – das half Menschen im Lauf der Evolution, vor akuten Gefahren davonzurennen, etwa einem angreifenden Bären. Auf Dauer bewirken diese Stresshormone jedoch Veränderungen im Herzen, indem sie dort das Wachstum von Herzzellen und Bindegewebe ankurbeln. Letztlich wird das Herz damit dicker und steifer – und pumpt just noch schlechter.
Die Forschungsgruppe Kardiovaskuläre Pharmakologie von Lorenz hat verschiedene Proteine identifiziert, die dieser Dynamik entgegensteuern. „Darunter ist ein Peptid-Wirkstoff, der direkt auf den Signalweg einwirkt, über den das pathologische Herzwachstum gehemmt wird. Damit können wir diese Entwicklung stoppen", sagt die Forscherin. Ein zweites Protein wiederum scheint in der Lage, die Schlagkraft der geschwächten Herzmuskeln zu steigern, ohne dass der Mechanismus des langfristig so schädlichen Herzwachstums überhaupt erst in Gang kommt. Ein drittes Protein – dessen Erforschung sich noch in einem Frühstadium befindet – mutet so an, dass es die Elastizität des Herzmuskels verbessern könnte, und zwar sowohl bei der systolischen als auch der diastolischen Herzinsuffizienz.
Neue Therapiesäulen für mehr Behandlungsspielraum
Können sich die gefundenen molekularen Angriffspunkte bewähren und daraus neue Arzneimittel entwickelt werden, würden sie das aktuell bestehende Behandlungsarsenal deutlich erweitern. „Das wären gänzlich neue Therapiesäulen“, erläutert Lorenz. Anders gesagt: Die Proteine, an denen ihr ISAS-Team arbeitet, sind nicht einfach nur Varianten der vier bereits in der Praxis bestehenden Therapie-Ansätze, sondern Wirkprinzipien, welche die Herzinsuffizienz über bisher neuartige und noch nicht eingesetzte Mechanismen behandeln.
Hausarzt Knaup kämen diese zusätzlichen Therapiemöglichkeiten gelegen. Fast tagtäglich sitzt er in seiner Praxis Herzinsuffizienz-Patient:innen gegenüber, deren Komorbiditäten die Behandlung oft kniffelig machen. „Man versucht, das klapprige System irgendwie zusammenzuhalten“, sagt der Arzt. Angesichts der demografischen Entwicklung muss sich der Mediziner darauf einstellen, dass er künftig noch häufiger mit dieser Problematik konfrontiert wird. Die Zahl der Betroffenen steigt, sagt Knaup. Er ergänzt: „Je älter die Bevölkerung wird, desto häufiger wird diese Erkrankung.“
(Ute Eberle)