Dortmund, 11. Juni 2025
Lennart Oberscheidt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Visual Effects (VFX) - Supervisor am StoryLab kiU der Fachhochschule Dortmund. In dem digitalen Forschungs- und Präsentationszentrum widmet sich der 38-Jährige aktuellen Fragestellungen zur digitalen Gesellschaft. Dazu zählen etwa neue Erzählstrategien im Zusammenspiel mit innovativen Technologien und Präsentationsformen. Beim ISAS-Kooperationsprojekt „Die geheime Welt des Immunsystems“ hat Oberscheidt gemeinsam mit dem Team um den künstlerischen Leiter Harald Opel erstmals Mikroskopdaten aus dem ISAS in einem immersiven Raum erlebbar gemacht. Über die Besonderheiten des Projekts und Gemeinsamkeiten von Kunst und Forschung berichtet er im Interview.
Was ist der immersive Raum im storyLab kiU und welchen Zweck verfolgt ihr damit?
Oberscheidt: Unser immersive Raum im Dortmunder U besteht aus vier Wänden, die wir komplett umlaufend mittels Hochleistungsprojektoren bespielen. Ein Tracking-System erfasst dabei die Positionen der Person, sodass die dreidimensionale Welt bestehend aus Bild und Ton sich perspektivisch korrekt mit verändert. Man kann sich das ein bisschen wie eine Virtual Reality bzw. VR-Brille vorstellen – nur eben ohne Brille.
Der Raum ist in unserem vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördertes Projekt Page 21 entstanden. Der Gedanke dahinter war, aus den Kunstwerken der Dortmunder Museen eine virtuelle Umgebung zu erschaffen und so für Besucher:innen erlebbar zu machen. Dafür setzen wir uns sowohl praktisch als auch aus einem Forschungsinteresse heraus mit dem Storytelling in verschiedenen neuen Medien auseinander. Der Anspruch, ganz neue Erzählwelten zu schaffen, zieht sich durch unsere gesamte Arbeit im storyLab kiU: egal ob es sich um ein Fassadenmapping oder zum Beispiel das Kooperationsprojekt mit dem ISAS handelt.
Für euer Team war es das erste Mal, mit naturwissenschaftlichen Forschungsdaten zu arbeiten. Gab es Besonderheiten oder Überraschungen?
Oberscheidt: Allein die Tatsache, dass die Strukturen auf den Aufnahmen so unfassbar klein sind, finde ich total abgefahren. Etwas, das bis dato nur unter dem Mikroskop oder auf einem Bildschirm sichtbar war, für Menschen erlebbar zu machen, als wären sie Teil davon, war für uns ganz neu. Gerade am Anfang mussten wir uns also wortwörtlich erstmal in den Daten orientieren und verstehen, was aus biologischer Sicht für die Geschichte, die wir mit dem ISAS erlebbar machen möchten, relevant ist. Dafür haben wir uns viel mit den Kommunikator:innen ausgetauscht, immer wieder bei den Forschenden nachgefragt und uns gegenseitig besucht. Besonders für die Studierenden, die in unseren Projekten unter realen Bedingungen ihre Fähigkeiten einsetzen und erweitern sollen, war etwa der Besuch um Labor etwas Besonderes.

Lennart Oberscheidt hat das Kooperationsprojekt der Fachhochschule Dortmund und dem ISAS künstlerisch begleitet.
© Privat
Auf der technischen Seite haben wir schnell Gemeinsamkeiten gefunden. Genau wie die Forschenden am ISAS bauen wir unsere 3D-Modelle aus verschiedenen Schichten auf. Wie viele Schichten sind wie weit auseinander? Wie können wir diese Daten zu einem Volumen-Modell aufbauen? Im Grunde stellen wir uns in unserer Arbeit dieselben Fragen.
Wie ist es euch gelungen, für das Erlebnis künstlerisches Storytelling mit Forschungsdaten zu vermischen?
Oberscheidt: Die Kunst lebt von fantastischen, also unwirklichen Geschichten, die sich jemand ausgedacht hat. Aber beinahe jede Geschichte hat irgendwo auch einen wahren Kern. Der Unterschied bei der Umsetzung von naturwissenschaftlichen Themen ist es, diesen tatsachenbasierten Kern auf jeden Fall beizubehalten. Herzinfarkt ist ein Thema, das viele Menschen betrifft und gesellschaftlich sehr präsent ist. Wir wollten für die Dortmunder Science Night also ein Narrativ gestalten, welches genau das abbildet, was an wissenschaftlichen Fakten drinsteckt und einen korrekten Einblick in die bislang unbekannte Forschung zu neuen Therapien gibt.
Gleichzeitig will man etwas ästhetisch Ansprechendes gestalten, das die Zuschauenden involviert. Denn eine reine Ansammlung wissenschaftlicher Fakten könnte schnell überfordern – es ist eine Waage, die man halten muss. Im Laufe des Projekts haben wir uns sowohl visuell als auch über das Sounddesign daran herangetastet. Am Ende konnten wir gemeinsam ein möglichst kurzweiliges, aber trotzdem natürlich spannendes und visuell beeindruckendes Erlebnis erschaffen.

Auch Ina Brandes, Ministerin fur Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, machte sich bei der Science Night 2024 ein Bild vom immersiven Erlebnis. Im Bild betrachtet sie eine mittels Lichtblatt-Fluoreszenzmikroskopie angefertigte Aufnahme eines Infarktherzens.
© Stadt Dortmund / Roland Baege
Die Installation ist für die Dortmunder Science Night 2024 entstanden. Wie können sich Interessierte das immersive Erlebnis jetzt noch anschauen?
Der immersive Raum ist an Samstagen und Sonntagen öffentlich zugänglich. Interessierte können einfach bei uns im Dortmunder U vorbeikommen und eine der vielen Erzählwelten selbst erleben. Ob man sich dannin den Mikroskopaufnahmen aus dem ISAS oder in einem Kunstwerk aus den Dortmunder Museen wiederfindet, steuert der Zufall.
(Das Interview führte Cheyenne Peters.)