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Analyse differenzieller Gen- und Proteinexpression zum In-Vitro-Nachweis einer Arzneimittelallergie

Ein Forschungsprojekt am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) widmet sich dem verbesserten Nachweis von Arzneimittelallergien. Bislang sind die diagnostischen Möglichkeiten auf diesem Feld begrenzt; oftmals sind sie aufwendig oder nicht aussagekräftig. Deshalb forscht das BfArM in einem gemeinsamen Projekt mit der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Uniklinik RWTH Aachen, der Life & Brain GmbH Bonn sowie dem Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS) mit Sitz in Dortmund nach einem neuen Testansatz.

Hintergrund:

Arzneimittelallergien sind eine besonders relevante Allergieform, deren Häufigkeit wahrscheinlich durch den demografischen Wandel weiter zunehmen wird. Die Diagnostik von Arzneimittelallergien basiert zurzeit auf:

  1. Anamnese und Einordnung der klinischen Reaktion.

  2. In-Vivo-Testungen: Prick- und Intrakutan-Test. Diese aufwendigen Hauttestungen sind eingeschränkt sensitiv und nur für wenige Wirkstoffe standardisiert.

  3. In-Vitro-Testungen: Nachweisverfahren für spezifische Antikörper (IgE) bei Soforttypreaktionen sind nur für wenige Arzneimittel verfügbar und stehen zellulären Testsystemen wie z. B. dem Lymphozytentransformations-Test (LTT) gegenüber. Der traditionelle LTT (Read-out-Parameter: 3H-Thymidineinbau der proliferierenden Zellen) ist jedoch für die Routinediagnostik eher ungeeignet.

  4. Provokationstestungen. Diese sind aber aufgrund der Gefahr einer allergischen Reaktion nicht risikofrei und werden daher von Patientinnen und Patienten oft abgelehnt. Wenn in der Anamnese eine schwere allergische Reaktion vorlag, sind sie kontraindiziert.

Zusammenfassend gibt es für viele arzneimittelallergische Reaktionen derzeit keine zufriedenstellenden diagnostischen Möglichkeiten bei einem großen Bedarf für eine zuverlässige, in der Routinediagnostik einsetzbare Methode, die für die Patientinnen und Patienten ungefährlich, nicht belastend und mit geringem zeitlichen Aufwand verbunden ist. Insbesondere In-Vitro-Testungen bieten sich hier an, da sie lediglich eine Blutabnahme erfordern und auch einfacher mehrere verdächtigte Arzneimittel getestet werden können.

Projektziele:

Übergeordnetes Ziel des Projektes ist es, durch Nutzung moderner, innovativer Methoden Grundlagen zu erforschen, die es ermöglichen sollen, zukünftig einen für den Routineeinsatz geeigneten diagnostischen In-Vitro-Test zum Nachweis von Arzneimittelallergien zu entwickeln. Dafür wird die differenzielle Gen- und Proteinexpression der peripheren mononukleären Zellen (PMBC) allergischer Patientinnen und Patienten im Vergleich zu nicht allergischen Probandinnen und Probanden nach In-Vitro-Stimulation mit dem für die Allergie angeschuldigten Arzneimittel analysiert.

Projektbeschreibung und Methodik:

In dem Projekt sollen zunächst Patientinnen und Patienten mit gesicherter Arzneimittelallergie und Kontrollpersonen ohne Allergie gegen das betreffende Arzneimittel untersucht werden. Aus ihrem Blut werden die peripheren mononukleären Zellen (PBMC) isoliert und mit dem angeschuldigten Arzneimittel koinkubiert. Nach Abschluss der Koinkubation wird die Gen- und Proteinexpression in den PBMCs genom- und proteomweit in Bezug auf geeignete Ziel-Gene und/oder deren Transkriptionsprodukte analysiert. Nachdem in der ersten Projektphase geeignete Read-Out-Parameter identifiziert wurden, soll ihre Verwendung in der zweiten Projektphase an einer größeren Anzahl von Patientinnen und Patienten getestet werden.

Die wesentlichen Arbeitsschritte des Projektes sind (federführende Partner in Klammern):

  1. die Rekrutierung von Patienten mit gesicherter Arzneimittelallergie und Kontrollpersonen ohne Allergie gegen das betreffende Arzneimittel (Klinik für Dermatologie und Allergologie, Uniklinikum RWTH Aachen);

  2. die Isolierung der peripheren mononukleären Zellen (PBMC) der Patienten und Kontrollen und Koinkubation der PBMC mit dem angeschuldigten Arzneimittel sowie die Isolierung ihrer RNA (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM);

  3. die genom- und proteomweite Analyse der differenziellen Gen- und Proteinexpression (Life & Brain GmbH (Life & Brain); Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften (ISAS))

  4. die Identifikation geeigneter Target-Gene und/oder deren Transkriptionsprodukte als Read-Out-Parameter (Life & Brain, ISAS)

Projektleitung im Konsortium:

BfArM (Prof. Dr. Bernhardt Sachs, Dr. Andreas Glässner, Dr. Christine Krämer)

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