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Von Varanasi nach Dortmund mithilfe von Twitter

Dortmund, 27. Juli 2022

Kshitij Sinha arbeitet als Praktikant in der Nachwuchsgruppe Spatial Metabolomics unter der Leitung von Dr. Prasad Phapale. Der 22-Jährige studiert am Indian Institute of Technology. Im Interview berichtet Sinha, wie er dazu beitragen möchte, wirksame Medikamente gegen Tuberkulose zu entwickeln. Außerdem verrät er, wie ein Tweet ihm den Weg zu seinem Auslandspraktikum ebnete.

Kshitij Sinha.

Seit Mai gehört Kshitij Sinha als Praktikant zur ISAS-Nachwuchsgruppe Spatial Metabolomics. Sein Weg von Indien nach Dortmund begann mit einem Tweet.

© ISAS

Kshitij, du bist sowohl Bachelor- als auch Master-Student. Wie ist das möglich?

Sinha: Mein Studiengang Bioverfahrenstechnik ermöglicht einen Doppelabschluss. Meine Hochschule befindet sich in Varanasi, einer Stadt im Bundesstaat Uttar Pradesh im Norden Indiens. Nachdem ich ein fünfjähriges Programm absolviert habe, werde ich einen Bachelor- und Masterabschluss erhalten. Ich bin derzeit im vierten Jahr. Im letzten Studienjahr, das im August 2022 beginnt, werde ich meine Masterarbeit zur antimikrobiellen Arzneimittelresistenz beim Mycobacterium tuberculosis schreiben.

Warum hast du ausgerechnet Tuberkulose als Forschungsthema deiner Masterarbeit gewählt?

Sinha: Laut Weltgesundheitsorganisation erkranken jedes Jahr zehn Millionen Menschen an Tuberkulose. Bedauerlicherweise kann das Bakterium Mycobacterium tuberculosis Resistenzen gegen die Medikamente entwickeln, die die Erkrankung heilen sollen. Die Folge ist eine Art multiresistente Tuberkulose, die schwierig zu behandeln ist. Deswegen möchte ich dazu beitragen, neue, wirksame Medikamente gegen Tuberkulose zu entwickeln. Dafür versuche ich, die Strukturbiologie sowie das Zusammenspiel der Proteine zu entschlüsseln, die bei der Entstehung von Tuberkulose involviert sind. Konkret betrachte ich den FAS-II- Stoffwechselweg im Mycobacterium tuberculosis. FAS II steht für Typ II Fettsäure-Synthase. Dieser Vorgang ist für die Biosynthese von Mykolsäuren verantwortlich. Diese langkettigen Fettsäuren sind Teil der äußeren Zellwand des Mikroorganismus, der den Tuberkuloseerreger enthält. Mein Ziel ist, diesen Prozess zu unterbrechen, indem ich das Bindemolekül für das Protein InhA identifiziere, das an der Bildung von Mykolsäuren beteiligt ist. Dieses Protein könnte ein Angriffspunkt, ein sogenanntes Target, für neue Arzneimittelwirkstoffe sein.

Wie kam es dazu, dass du dich für ein Praktikum in der ISAS-Gruppe Spatial Metabolomics entschieden hast?

Sinha: Studierende meiner Hochschule absolvieren üblicherweise ein Sommerpraktikum, um Arbeitserfahrungen zu sammeln. Ich wollte einen tiefen Einblick in die Lebenswissenschaften gewinnen und stieß bei meiner Suche zufällig auf den Twitter-Kanal von Dr. Phapale. In einem Tweet schrieb er, dass er gerade sein Team ausbaut. Das machte mich neugierig. Als ich eine seiner wissenschaftlichen Arbeiten über Pharmakometabolomik las, war ich sofort Feuer und Flamme. Spontan schrieb ich ihn an und fragte nach einem Praktikum. Um es kurz zu machen: Er stimmte zu und ich bewarb mich sogleich beim DAAD, Deutscher Akademischer Austauschdienst, um ein Stipendium. Das Stipendium WISE – Working Internships in Science and Engineering – half mir, ein Visum zu erhalten und meinen dreimonatigen Aufenthalt zu finanzieren.

Prasad Phapale und sein Team entwickeln einen Multimethoden-Ansatz, mit dem sich Stoffwechselprozesse parallel unter räumlichen und zeitlichen Aspekten analysieren lassen. Was sind deine Aufgaben in seiner Forschungsgruppe?

Sinha: Meine erste Aufgabe ist es, Workflows der metabolischen Datenanalyse mithilfe von zwei Software-Typen zu vergleichen: Compound Discoverer und Progenesis QI. Beide sind automatisierte Auswertungsprogramme für Daten kleiner Moleküle. Die Datensätze, die ich nutze, stammen von Metaboliten, also Substanzen aus Stoffwechselvorgängen, die wir mithilfe der Flüssigchromatographie-Massenspektrometrie, kurz LC-MS für English liquid-chromatography mass spectrometry, analysiert haben. Der Rechenprozess, der diese LC-MS-Daten analysiert, besteht aus verschiedenen Schritten. Während Progenesis QI die meisten Schritte mit Standardparametern automatisiert, erlaubt Compound Discoverer den Nutzer:innen, selbst geeignete Parameter auszuwählen.

Meine zweite Aufgabe ist, durch Literaturrecherche Metriken für den Software-Vergleich zu ermitteln. Da beide Programme einen adäquaten Standard-Workflow haben, könnte eines der beiden als Referenzstandard bei künftigen Software-Vergleichen dienen.

Inwieweit hilft dir das Praktikum für deine eigene Forschung und weitere Karriere?

Sinha: Das, woran ich in der Gruppe Spatial Metabolomics forsche, ist für mein weiteres Studium essentiell. Ich habe zum Beispiel mit verschiedenen Programmiersprachen, die ich zuvor noch nie verwendet hatte, gearbeitet. Dabei habe ich von Dr. Phapale und seinem Team viel über Datenvisualisierung gelernt. Diese war für mich neu. Zudem hilft mir das Praktikum bei meiner Entscheidung für ein Promotionsthema. Metabolomik, Protein-Biochemie oder Bioinformatik – ich muss mir noch klar darüber werden, worauf ich meinen Fokus legen möchte. Nachdem ich jetzt eine Zeit lang in Dortmund gelebt habe, kommt für mich Deutschland mittlerweile als Ort für eine Promotion infrage. Ich habe einen ersten Eindruck davon bekommen, wie Wissenschaftler:innen hier arbeiten und ich habe die Forschungskultur in Deutschland zu schätzen gelernt.

(Das Interview führte Bettina Dirauf)

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