Zum Inhalt springen

Mehr als Schmuck: Silber als Schutz vor Implantat-Infektionen

Dortmund, 15. Juli 2022

Knieprothesen, Hüftimplantate oder Herzschrittmacher – durch den medizinischen Fortschritt gibt es eine Vielzahl an Implantaten, die den menschlichen Körper unterstützen sollen. Stattdessen birgt ein Implantat trotz aller sterilen Vorbereitungen ein Risiko für Infektionen. Um diese zu verhindern, arbeitet Kaja Reiffert, Doktorandin in der Arbeitsgruppe Bio-Imaging an einer vorbeugenden Strategie mithilfe von Silber.

Infektionen entstehen, wenn Bakterien sich auf der Implantatoberfläche ansiedeln – meistens beim Einsetzen während der Operation. Die Bakterien kreieren auf dem Implantat ihr eigenes Milieu und schaffen so die besten Voraussetzungen, um zu wachsen und sich zu vermehren. Es entsteht ein Biofilm, eine Lebensgemeinschaft aus Bakterien. Ist ein Biofilm erst entstanden, ist er sehr stabil und schwierig zu bekämpfen. Antibiotika-Resistenzen erschweren die Behandlung zusätzlich. Entzündetes Gewebe am Implantat verursacht Schmerzen, im schlimmsten Fall droht eine Blutvergiftung. Die Folge: Bei einer Infektion muss das Implantat raus.

Kleine Partikel, große Wirkung

Damit es erst gar nicht zu einer Infektion kommt, untersucht Reiffert die Kombination mit verschiedenen Silberpartikeln. Silberionen besitzen eine antimikrobielle Wirkung. Auf der Oberfläche von Implantaten könnten sie diese vor einer bakteriellen Besiedelung schützen. Um diese antibakterielle Wirkung möglichst effizient zu erzielen, sollten ultrakleine Silberpartikel zum Einsatz kommen. Bei Kontakt mit einem wässrigen Milieu setzen diese die antimikrobiellen Silberionen frei. Die Größe der Partikel spielt hierbei eine entscheidende Rolle, denn beim Kontakt gilt: Je kleiner die Partikel sind, desto größer ist ihre Oberfläche und damit die Freisetzungsrate der Silberionen. „Das kann man sich wie bei einem Würfel vorstellen. Unterteilt man einen großen Würfel in acht kleine, hat man in der Summe eine viel größere Oberfläche als bei einem großen Würfel. Diese Oberflächenerhöhung kann dafür sorgen, dass mehr Ionen ausschüttet werden“, erklärt die 24-Jährige. Die Nachwuchswissenschaftlerin arbeitet mit ultrakleinen Partikeln, die nur ein bis zwei Nanometer groß sind. Sie hofft, dadurch die antimikrobielle Wirkung auf einem Implantat steigern zu können.

Silber, Gold & Platin

Wie Silberpartikel in der Größe von ein bis zwei Nanometern im menschlichen Körper wirken, ist noch unbekannt. „Die erste Frage ist, ob es zu Toxizität im Körper kommen kann, also ob die Silberpartikel für Menschen giftig sind. Es reicht daher nicht, nur die Wirkung auf die Bakterien zu untersuchen. Wir müssen auch beobachten, ob und wie die Silberionen auf menschliche Zellen wirken“, erläutert die Biologin. Die Effekte analysiert sie an sogenannten mesenchymalen Stammzellen, Zellen des Stütz- und Bindegewebes.

Für ihre Dissertation analysiert Kaja Reiffert, wie ultrakleine Silberpartikel bei Implantaten Infektionen, beispielsweise mit Bakterien wie Escherischia coli (E. coli), verhindern können.

Für ihre Dissertation analysiert Kaja Reiffert, wie ultrakleine Silberpartikel bei Implantaten Infektionen, beispielsweise mit Bakterien wie Escherischia coli (E. coli), verhindern können.

© ISAS

Das Besondere bei diesen Stammzellen ist, dass sie sich in verschiedene Zelltypen weiterentwickeln können. Im menschlichen Körper können sie zu Knochen-, Knorpel- oder auch Fettzellen werden. Diese Weiterentwicklung bezeichnen Forscher:innen als Differenzierung der Stammzellen. Platin hat die Eigenschaft, die Differenzierung von Knochenzellen zu fördern, sprich, es hat einen osteogenen promotiven Effekt. Dieser Effekt könnte die Verbindung zwischen Knochen und Implantaten festigen und damit gegen Entzündungen vorbeugen. Aus diesem Grund möchte die Nachwuchsforscherin bei ihrer Dissertation auch die Wirkung von Silber in Kombination mit Platin untersuchen. 

Dasselbe gilt für die Kombination von Silber und Gold. Auch für Goldnanopartikel wurden bereits promotive Effekte auf die osteogene Differenzierung beschrieben: „Goldnanopartikel werden bereits intensiv für die biomedizinische Forschung untersucht, weshalb es hierzu auch bereits mehr Erkenntnisse hinsichtlich der chemischen bzw. physikalischen Charakteristika als für Silber und Platin gibt.

Es handelt sich bei diesen Studien aber um deutlich größere Nanopartikel, als wir sie nutzen. Die genauen Effekte von ultrakleinen Goldnanopartikeln sind tatsächlich noch unbekannt.  Beim Einsatz ultrakleiner Goldnanopartikel erwarten wir, wie bei Silber und Platin, eine gesteigerte Ionenfreisetzung und somit effizientere Wirkung, die wir zur Optimierung des promotiven osteogenen Effektes nutzen wollen.“

Nanopartikel

Nanopartikel sind Teilchen, die kleiner als 100 Nanometer (nm) sind. Ein Nanometer entspricht einem millionsten Millimeter. Das ist ungefähr 1000 Mal kleiner als der Durchmesser eines Menschenhaars. Bei ultrakleinen Nanopartikeln sprechen Wissenschaftler:innen meist von einer Größe zwischen 1-3 nm.

Kombination von Analysemethoden erforderlich

Die Fragen, auf die Reiffert jetzt im ersten Schritt ihrer Forschung eine Antwort finden möchte, sind: Wie gelangen die Silberpartikel in die Zelle und was passiert, wenn die Zellen sie aufgenommen haben? Für ihre Analyse nutzt Reiffert verschiedene Imaging-Techniken. „Mithilfe des Konfokalmikroskops möchte ich herausfinden, ob die Nanopartikel in die Zellen eindringen können und wo deren Lokalisation innerhalb der Zelle ist. Dafür mache ich verschiedene Zellkompartimente mit Fluoreszenzfarbstoffen oder Antikörpern als Marker sichtbar und nutze Fluoreszenz-markierte Nanopartikel“, erklärt die Doktorandin. Da noch unklar ist, ob diese Fluoreszenzmarkierung der Nanopartikel, dessen Aufnahme oder Lokalisation beeinflusst, nutzt Reiffert zusätzlich ein Transmissionselektronenmikroskop. Die Transmissionselektronenmikroskopie kommt ohne Fluoreszenzfarbstoffe aus. Eine Kontrastierung macht abgrenzbare Zellstrukturen, die Organellen, sichtbar. Mit der Transmissionselektronenmikroskopie macht Reiffert hochauflösende Aufnahmen, die für die Darstellung von ultrakleinen Nanopartikeln erforderlich sind. Mit einem Durchflusszytometer möchte Reiffert später auch die Zellpopulationen charakterisieren, um zu klären, wie effizient die Zellen Nanopartikel aufnehmen und wie sich die ultrakleinen Partikel auf die Zellvitalität und Differenzierung auswirken. Die Forscherin resümiert: „Nur, wenn wir verschiedene Analysemethoden kombinieren, erhalten wir alle benötigten Informationen, um die Wirkungsweise der Nanopartikel auf Bakterien und menschliche Zellen und somit deren Eignung für Implantate umfassend untersuchen zu können.“

Über das DFG-Projekt

Kaja Reiffert promoviert an der Universität Duisburg-Essen. Ihre Dissertation trägt den Titel: „Ultrakleine mono- und bimetallische Nanopartikel als mögliche Präventionsstrategie Implantat-assoziierter Infektionen“. Damit leistet sie einen Beitrag zum Forschungsprojekt „Synthese, Struktur und biologische Effekte von ultrakleinen (1-2 nm) bimetallischen Silber-Platin-Nanopartikeln“. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt unter der Nummer 452179459.

(Nadine Gode)

Teilen

Weitere Beiträge

2. Mai 2024

Schwefelwasserstoff: Das erstaunliche Molekül, das lebenswichtige Funktionen reguliert & den Alterungsprozess bekämpft

Schwefelwasserstoff gilt als hochgiftig. Dennoch erfüllt das faulriechende Gas in unseren Zellen viele lebenswichtige Funktionen. Als Gasotransmitter kann es beispielsweise innerhalb von Zellen und zwischen ihnen Signale übermitteln. Auch bei der Sauerstoffversorgung im Blut spielt Schwefelwasserstoff eine wichtige Rolle – das haben Forschende um Dr. habil. Miloš Filipović am ISAS erst kürzlich herausgefunden.

Porträt Dr. habil. Miloš Filipović.
18. April 2024

PODCAST »NACHGEFORSCHT – DIE LIVESCHALTE INS LABOR« Folge 9: Hinter den Kulissen der Mikroskopie – die Arbeitswelt einer Technischen Assistentin

Im Labor stets den Durchblick zu behalten, ist nur eine der vielen Aufgaben von Luisa Röbisch. Sie ist Technische Assistentin in der Arbeitsgruppe Bioimaging. Wie die Arbeit mit hochmodernen Mikropen aussieht und wie ihre Leidenschaft für das winzig Kleine begann, berichtet die Biotechnologin in einer neuen Folge des ISAS-Podcasts.

28. März 2024

Neue „grüne“ Mikroskopie: weniger Strom, dafür mehr Informationen über Immunzellen

Hochentwickelte Technologien wie hochauflösende Mikroskope produzieren große Datenmengen. Und die verbrauchen wiederum große Mengen an Strom. Hinzu kommen Kühlschränke für Proben, Abzüge und kleine technische Geräte. Während das ISAS strukturell umrüstet, um grüner zu werden, arbeiten Forschende am Institut bereits an Methoden, um die Mikroskopie generell energiesparender zu machen. Die Höchstleistung der Technologie stellt dabei kein Problem dar – im Gegenteil.

Das Bild zeigt eine schematische Darstellung der Datenverarbeitung in der Mikroskopie.
13. März 2024

Leberzirrhose: Wandernde Immunzellen als Frühwarnsystem

Für die Lebenserwartung von Patient:innen mit einer Leberzirrhose ist es entscheidend, ob und welche krankheitsassoziierten Komplikationen wie Infektionen auftreten. Bislang fehlte jedoch die Möglichkeit, Letztere frühzeitig vorherzusagen. Ein Problem, das Ärzt:innen daran hindern kann, rechtzeitig Antibiotika zu verabreichen oder sogar eine Lebertransplantation durchzuführen. Am ISAS gingen Forschende um Prof. Dr. Matthias Gunzer deswegen der Frage nach: Könnte die Beweglichkeit bestimmter Immunzellen der entscheidende Hinweis auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes sein?

29. Februar 2024

3 Fragen an … Dr. Christopher Nelke

Als Teilnehmer des Clinician-Scientist-Programms und Arzt an der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) erforscht Dr. Christopher Nelke neuromuskuläre Erkrankungen. Im Interview berichtet er von seinem zweiwöchigen Gastaufenthalt am ISAS und den Herausforderungen, die sich zwischen Klinikbett und Forschung ergeben.

Das Bild zeigt Dr. Christopher Nelke im Labor. In den Händen hält er eine Probe. The picture shows Dr Christopher Nelke in the laboratory. He is holding a sample in his hands.
20. Februar 2024

SARS-CoV-2: Neueste Methoden klären Wirkstoffe und Wirkprinzip uralter Selbstmedikation auf

Prophylaktische, lindernde oder gar heilende Substanzen, meist Naturstoffe, sind der Naturmedizin seit Urzeiten bekannt. Doch wie sieht es bei viralen Infekten aus? Lassen sich Tees aus Salbei oder Perilla auch – egal ob vorbeugend oder heilsam – gegen Infektionen mit SARS-CoV-2 einsetzen? Diesen Fragen ging ein interdisziplinäres Team aus Forschenden um Prof. Dr. Mirko Trilling von der medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen (UDE) und Wissenschaftler:innen am ISAS während der Coronavirus-Pandemie nach.

Das Bild zeigt Prof. Dr. Mirko Trilling mit verschränkten Armen, an einer Wand lehnend. The picture shows Prof Dr Mirko Trilling with his arms folded, leaning against a wall.
7. Februar 2024

Eine lang gesuchte Kombinations-Methode in der Massenspektrometrie

Forschende, die komplexe Proben mittels Massenspektrometer analysieren, stehen oft vor dem Problem, dass die enthaltenen Substanzen fundamental verschieden sind. Einige sind etwa chemisch polar aufgebaut, andere unpolar. Bisher erforderte dies zwei aufwändige separate Analysen. Am ISAS hat ein Forscher nun eine Methode entwickelt, mit der auch wenig polare Substanzen in einer gängigen massenspektrometrischen Analyse für polare biologische Stoffe miterfasst werden.

Daniel Foest steht im Labor und hält ein Papier mit einer Leberprobe, die er am Massenspektrometer untersucht.
12. Januar 2024

„Meine Forschung ist ein Knochenjob"

Darleen Hüser sucht nach dem immunzellulären Fingerabdruck bei rheumatoider Arthritis. Woran die Doktorandin messerscharf forscht und wozu sie verschiedene Mikroskope benötigt, gibt sie im Interview preis.

Das Porträt zeigt ISAS-Doktorandin Darleen Hüser aus der Arbeitsgruppe Bioimaging.
21. Dezember 2023

Science Slam: humorvolle Wissenschaftskommunikation macht allen Spaß

Sprechendes Laborequipment, Künstliche Intelligenz und Expertise vom Nordpol - diese bunte Mischung an Themen zeichnete den jüngsten Science Slam am Institut aus. Wie Wissenschaftskommunikation allen Beteiligten Freude bereiten kann, stellten vier ISAS-Mitarbeitende mit ihrem Fachwissen und viel Witz unter Beweis.

Luisa Becher fotografiert die vier Teilnehmenden des ISAS Science Slam.