Zum Inhalt springen

Molekulare ‚Schalter‘ für Herzinfarkte umlegen

Dortmund, 29. September 2021

Die koronare Herzkrankheit (KHK, auch kardiale Ischämie genannt) ist laut Weltgesundheitsorganisation weltweit die häufigste Todesursache. Sie tritt auf, wenn das Herz zu wenig durchblutet wird und der Herzmuskel nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden kann. Eine daraus resultierende plötzliche, schwere Verstopfung der Herzarterien kann beispielsweise zu Herzrhythmusstörungen oder einem Herzinfarkt führen. 

Der Sonderforschungsbereich (SFB) 1116 ‚Master Switches bei kardialer Ischämie‘ der Deutschen Forschungsgemeinschaft, an dem auch ISAS-Wissenschaftler:innen beteiligt sind, untersucht die Phase nach einem akuten Infarkt anhand molekularer Mechanismen. Ziel ist es, neue therapeutische Ansätzen zu finden. Damit sollen Komplikationen und Spätfolgen des Herzinfarkts, wie eine dauerhafte Herzschwäche, in Zukunft vermindert werden. Seit November 2018 (und damit zum Beginn der zweiten Förderperiode von vier Jahren) ist das ISAS Teil des Zusammenschlusses der 15 Forschungsgruppen aus Düsseldorf und Dortmund.

Einblick in die Prozesse nach einem Herzinfarkt

Die Forscher:innen am ISAS wollen neue therapeutische Zielstrukturen, wie bestimmte Stoffwechselvorgänge oder Zellfunktionen, finden. Die namensgebenden ‚master switches‘ spielen eine entscheidende Rolle im Genesungsverlauf nach einer kardialen Ischämie. „Trotz zahlreicher Studien ist die Regulation und Wirkweise verschiedener Aktivierungstrigger von Rezeptoren im Herzen noch unklar. Wir haben ein Protein identifiziert, das einen eigenen Aktivierungsmodus einleiten kann“, berichtet Prof. Dr. Kristina Lorenz. Unter ihrer Leitung forschen am ISAS Wissenschaftler:innen der Arbeitsgruppe Kardiovaskuläre Pharmakologie am Raf-Kinase-Inhibitor-Protein (RKIP) und seinen herzschützenden Eigenschaften. Sie untersuchen, wie RKIP sogenannte Beta-Adrenozeptoren aktiviert. Letztere sind maßgeblich an der Muskelfunktion des Herzens beteiligt. Die im vergangenen Jahr gewonnenen Erkenntnisse können dabei helfen, bereits bekannte Medikamenten-Zielstrukturen zu optimieren und neue Therapiestrategien zu entwerfen. Demnach könnte beispielswiese das Herz-Kreislauf-System nach einem Infarkt so medikamentös stabilisiert werden, dass die Kontraktionskraft des Herzen trotz geringerer Nebenwirkungen gesteigert werden kann.

ISAS stellt Multiomics-Methoden bereit

Die ISAS-Arbeitsgruppe Proteomics stellt die experimentellen Modelle sowie die Massenspektrometrie-basierten Technologien für die Analyse zur Verfügung. So unterstützt das Institut das Projekt SFB 1116 mit Multiomics-Methoden bei der Entschlüsselung der Krankheitsmechanismen. Im Jahr 2020 haben die Wissenschaftler:innen beispielsweise gemeinsam mit anderen Forscher:innen das Gewebe von Mäusen, die unter verschiedenen Fütterungsbedingungen gelebt haben, analysiert. Sie konnten außerdem eine Methode zur Quantifizierung verschiedener Formen von CD73, einem Enzym, das das Herz nach einem Infarkt vor einer unkontrollierten Entzündungsreaktion schützt, in humanen Zellen entwickeln. Im Herbst 2020 wurde außerdem eine Liquid Extraction Surface Analysis (LESA™) am ISAS installiert. Diese erlaubt eine tiefergehende massenspektrometrische Analyse. Damit wollen die Forscher:innen zukünftig Gewebe nach einem Infarkt untersuchen, um einen tieferen Einblick in die Mechanismen der kardialen Ischämie zu erhalten.

(Cheyenne Peters)

Prof. Dr. Kristina Lorenz.

Für ihre Forschung pendelt Prof. Dr. Kristina Lorenz zwischen Dortmund und Würzburg, wo sie das Institut für Pharmakologie und Toxikologie an der Julius- Maximilians-Universität leitet.

© ISAS / Hannes Woidich

Teilen

Weitere Beiträge

8. September 2025

3 Fragen an Susmita Ghosh

Wie beeinflusst die Darmflora das Immunsystem? Susmita Ghosh forscht am ISAS zu Proteinen und Immunzellen. Im Interview erzählt die Biologin von ihrer Arbeit und erklärt, wie sich Darmflora und Immunsystem auf die Folgen eines Schlaganfalls auswirken könnten.

Susmita Ghosh sitzt am ultrasensitiven Massenspektrometer und stellt eine Proben ein.
8. September 2025

Darmflora & Schlaganfall – wie Mikroorganismen unser Immunsystem beeinflussen

Welche Faktoren können Immunzellen nach einem Schlaganfall aktivieren? Dieser Frage sind Forschende am Universitätsklinikum Essen und ISAS nachgegangen. Im Fokus ihrer Arbeit stand dabei die Darmmikrobiota.

25. August 2025

PODCAST »NACHGEFORSCHT – DIE LIVESCHALTE INS LABOR« Folge 11: Probenrotor liefert Rundumblick bei Immun- & Gefäßzellen

Mit einem neu entwickelten Workflow, der verschiedene Mikroskopie-Verfahren kombiniert und Proben mithilfe eines Rotors dreht, gelingt es der Forschungsgruppe Bioimaging Zellen in einem gänzlich neuen Umfang sichtbar zu machen. Welche Vorteile dies mit sich bringt, berichtet Dr. Malte Roeßing in der neuen Podcast-Folge.

24. August 2025

Bilder sagen doch nicht mehr als 1.000 Worte

"Die bildgebende Massenspektrometrie den Schritt weg von qualitativen, hübschen Bildern hin zu absolut quantifizierbaren Aussagen schaffen", sagt Prof. Dr. Sven Heiles in seinem Gastbeitrag für ISAS Kompakt. Darin beschreibt er, wieso dies bisher nicht ohne Weiteres möglich war und wie er diese Herausforderung mit seinem Team am ISAS angeht.

Portrait von Jun.-Prof. Dr. Sven Heiles.
12. August 2025

Alles ist relativ: Neue Wege in der bildgebenden Massenspektrometrie

Qualitative und quantitative Daten mithilfe einer einzigen Methode erheben? Das ermöglicht eine Forschergruppe mit ISAS-Beteiligung gleich für eine ganze Substanzklasse und geht so einer vernachlässigten Tropenkrankheit mit weltweit über 200 Mio. Erkrankten auf den Grund.

23. Juli 2025

3 Fragen an Dr. Ali Ata Tuz

In seiner Promotion hat Dr. Ali Ata Tuz zu den Ursachen für Immunschwäche nach Schlaganfällen geforscht und bereits damals eng mit dem ISAS zusammengearbeitet. Auch in der Arbeitsgruppe Bioimaging am ISAS widmete er sich im Anschluss dem Verhalten von Immunzellen. Von seinem Weg von der Klinik in die anwendungsorientierte Grundlagenforschung berichtet der Mediziner im Interview.

Dr. Ali Ata Tuz sitzt am Konfokalmikroskop und schaut frontal in die Kamera.. Auf dem Bildschirm nebem dem Mirkoskop sind in grün und violett Mikroskopaufnahmen von einer Probe im Mikroskop zu sehen.
16. Juli 2025

Erfolgreiche Evaluierung für das ISAS

Eine unabhängige Kommission im Auftrag der Leibniz Gemeinschaft hat die Forschung am ISAS positiv bewertet. Das Ergebnis hat auch einen Einfluss auf die Förderung des Instituts.

Das Foto zeigt eine Frontansicht des Gebäudes am Standort ISAS City. Die Fassade ziert ein Mikroskop.
8. Juli 2025

Herzinsuffizienz tritt selten allein auf: ISAS-Forschende entwickeln neue Therapie-Säulen

Die Symptome, Folgeprobleme und therapeutischen Herausforderungen bei Herzinsuffizienz (Herzschwäche) fordern Hausärzt:innen zunehmend heraus. Vor allem bei Patient:innen mit zusätzlichen Erkrankungen sind Mediziner:innen in der Auswahl an Behandlungsmöglichkeiten limitiert. Am ISAS forschen Wissenschaftler:innen daher daran, das therapeutische Spektrum für die Herzinsuffizienz gezielt zu erweitern.

Prof. Dr. Kristina Lorenz.
25. Juni 2025

Neue Ionisierungsmethode: Von offenen Fragen zum geschlossenen Plasma

Die Massenspektrometrie funktioniert nur mit elektrisch geladenen, also ionisierten Teilchen. Dazu verwenden Forschende häufig ein Plasma. In einer Serie von Veröffentlichungen werfen Wissenschaftler:innen der Forschungsgruppe Miniaturisierung ein nues Licht auf diese Ionisierungsmethode und stellen ein ganz neues Plasma vor. Dieses kommt ohne kontinuierlichen Gasfluss aus und ist damit besonders ressourcensparend.

Cayian Tian justiert die Gaszufuhr am Plasma.