Dortmund, 21. September 2021
Enzyme steuern den überwiegenden Teil der biochemischen Reaktionen im menschlichen Körper. Doch obwohl sie für den Menschen unerlässlich sind, können sie auch die Ursache für viele Krankheiten sein.
Am ISAS erforschen deshalb Wissenschaftler:innen beim Projekt ‚Molekulare Werkzeuge für die Untersuchung von Intramembranproteasen‘ eine Klasse von proteinspaltenden Enzymen, die Proteasen, genauer. Besonders die Intramembranproteasen (in der Zellmembran), darunter Rhomboid-Proteasen, stehen im Fokus der Arbeit. Sie stehen im Zusammenhang mit Alzheimer und Diabetes Typ II. Um diese Proteasen zu untersuchen, nutzen die Forscher:innen Methoden der synthetischen Chemie. „Wir entwickeln molekulare Werkzeuge, genauer gesagt aktivitäts- und affinitätsbasierte Sonden, die die Enzyme gezielt aufspüren können“, berichtet Projektleiter Prof. Dr. Steven Verhelst. Die Projektgruppe bekommt damit einen Einblick in die physiologische und potenziell pathologische Rolle der Intramembranproteasen.
Medikamente künftig besser an Targets anpassen
Im Jahr 2020 hat das Team um Verhelst die Arbeiten an Ketoamid-Inhibitoren, die die Rhomboid-Proteasen hemmen, beendet. Sie konnten zeigen, dass bestimmte Teile der Inhibitoren, die „primed site“ Bindungselemente, für die Hemmung entscheidend sind. Die Forscher:innen nutzen diese Erkenntnisse zusammen mit ihrem chemischen Werkzeugkoffer dazu, Bindungsstellen für Medikamente, sogenannte Targets, zu identifizieren. Mithilfe von massenspektrometrischen Analysen konnten die Wissenschaftler:innen außerdem beweisen, dass die von ihnen entwickelten Sonden, etwa basierend auf Pepstatin A, einem Aspartylprotease-Inhibitor, nicht nur ihr Proteaseziel markieren, sondern auch andere Interaktionspartner wie Substrate identifizieren. Um künftig komplexe kleine Moleküle schnell an die Zielstrukturen anpassen zu können, haben sie im Jahr 2020 an den Reagenzien für diese sogenannte Spätfunktionalisierung (Late Stage Functionalization) geforscht und bereits mit ihrer Synthese begonnen.
Austausch über Enzyme der Immunabwehr
Eine weitere Klasse von Enzymen, mit denen sich die Arbeitsgruppe im vergangenen Jahr genauer beschäftigt hat, sind die neutrophilen Serin-Proteasen. Sie nehmen Einfluss darauf, ob die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) im Immunsystem eine schützende oder pathologische Funktion erfüllen. Im Austausch mit dem Labor für Chemische Biologie der Universität Leuven hat die Gruppe für diese Enzyme Sonden auf Basis von Phosphonat und Phosphinatestern entwickelt. Sie haben damit begonnen, ein Verfahren für die Fluoreszenzmikroskopie zu entwerfen, bei dem sie den Aktivierungsprozess bestimmter Leukozyten mithilfe der Ester visualisieren wollen.
(Cheyenne Peters)

Prof. Dr. Steven Verhelst arbeitet am ISAS und am Institut für Zell- und Molekularmedizin der KU Leuven – University of Leuven, Belgien. Er forscht zu chemischer Biologie und chemischer Proteomik.
© ISAS
Was sind Targets & Off-Targets?
Jeder Arzneimittelwirkstoff hat ein Ziel (Target), für das er entwickelt wurde. Diese Targets können zum Beispiel Strukturen wie Enzyme, Ionenkanäle oder Rezeptorproteine sein, die an der Entstehung einer Krankheit beteiligt sind und zerstört werden sollen. Zwar sind die Moleküle sehr spezifisch, aber es gibt Strukturen (Off-Targets), an denen sie binden, obwohl sie dafür keineswegs gedacht sind. Dieser Off-Target-Effekt kann sich unerwartet positiv auf eine Behandlung auswirken, äußert sich jedoch häufig als qualvolle Nebenwirkung oder Begleiterkrankung für Patient:innen.