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Neues Framework für eine effiziente Bilddatenanalyse in der Biomedizin

Dortmund, 13. Oktober 2025

Bei der Entwicklung datenzentrierter Künstlicher Intelligenz (KI) steht die Optimierung der Trainingsdaten im Vordergrund. Dieser Ansatz ist in der biomedizinischen Forschung bisher weniger verbreitet als modellzentrierte KI-Anwendungen. Ein Team um Dr. Chen Jianxu vom ISAS mit Forschenden aus China, Deutschland und den USA, möchte dies ändern und datenzentrierte KI-Anwendungen in der Bioimaging-Forschung etablieren. Dafür haben sie im Journal npj imaging ein sogenanntes Framework (Open Source) veröffentlicht. Dieses soll Wissenschaftler:innen aus der Bioimaging-Gemeinschaft die Anwendung von KI bei der Analyse von Bilddaten erleichtern.

Zuverlässige KI-Systeme basieren auf zuverlässigen Daten – das ist die Grundidee von datenzentrierten KI-Anwendungen. Statt stetig das Modell zu verbessern, optimieren Forschende manuell und mit Unterstützung von KI-Anwendungen die Qualität und Repräsentativität der Trainingsdaten. Sie überprüfen zum Beispiel, ob die Daten sauber, vollständig und ausgewogen sind. So können sie ein festgelegtes KI-Modell mit verfeinerten Messdaten immer weiter verbessert. Das Gegenstück bilden modellzentrierte KI-Anwendungen. Hier nutzen Forschende ein festgelegtes Set an Daten, um das KI-Modell zu verbessern.

Portrait von Dr.  Jianxu Chen.

Dr. Jianu Chen ist Leiter der ISAS-Nachwuchsgruppe AMBIOM – Analysis of Microscopic BIOMedical Images.

© ISAS / Hannes Woidich

Dr. Jianxu Chen ist der korrespondierende Autor der neuen Veröffentlichung und leitet die Nachwuchsforschungsgruppe AMBIOM – Analysis of Microscopic BIOMedical Images am ISAS. „Unser Framework soll eine gemeinsame Sprache für KI-Expert:innen und Forschende aus der Biomedizin sein“, erklärt der Experte für biomedizinische Bildanalysen und Deep Learning. Ein Framework beschreibt eine Sammlung von Programmier-Tools und Bibliotheken, die Entwickler:innen helfen, KI-Modelle einfacher zu erstellen und zu trainieren. In diesem Fall bietet es einen übersichtliche Zusammenstellung aller relevanten KI-Methoden und -Techniken im Zusammenhang mit Bioimaging, die Biomediziner:innen dabei unterstützen, eine datenzentrierte Denkweise für ihre Bioimaging-Forschung zu entwickeln.

Die Aufnahmen zeigen als Beispiele die Vielfalt eines Gefäßdatensatzes aus einer realen biomedizinischen Studie mit unterschiedlicher Morphologie, Intensität, Signal-Rausch-Verhältnis etc. Das „BioData-Centric AI”-Framework bietet biomedizinischen Forschern einen systematischen Ansatz, um solche realen Herausforderungen zu bewältigen.

© J. Wanzel, J. Lampe & M. Schwaninger: Institute for Experimental and Clinical Pharmacology and Toxicology, Center of Brain, Behavior and Metabolism (CBBM), University of Lübeck, Germany; DZHK (Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e. V., German Research Centre for Cardiovascular Research), Hamburg-Lübeck-Kiel, Germany.

Die Vorteile des neuen vierstufigen Frameworks zeigt Chen in einem Beispiel (s. Aufnahmen) auf, das er gemeinsam mit KI-Forschenden weltweit und Wissenschaftler:innen aus der biomedizinischen Forschung erarbeitet hat. Dafür haben er und seine Ko-Autor:innen über 800 dreidimensionale Mikroskop-Aufnahmen für die Segmentierung einer Gefäßstruktur gesammelt. Statt diese große Menge an Daten manuell auszuwerten, wie es für einen modellzentrierten Ansatz bisher üblich ist, haben die Forschenden mit den Rohdaten ein Pretraining einer KI durchgeführt. Mit dieser ersten KI-Anwendung haben sie zuerst die repräsentativsten Bilder aus dem Datenset bestimmt, um damit gezielt ein KI-Modell für die weitere Auswertung zu trainieren. Dieses Modell haben sie dann fortlaufend verbessert, indem sie zum Beispiel Mikroskop-Aufnahmen, mit denen das Modell Schwierigkeiten hatte, manuell analysiert und zur weiteren Verbesserung des Modells genutzt haben.

Framework baut Brücke zwischen KI-Entwicklung und biomedizinischer Forschung

Für das angeführte Beispiel haben die Forschenden grundlegende Algorithmen genutzt, die auch über GitHub (Anmerkung der Redaktion: wir möchten darauf hinweisen, dass nach Aktivierung des Links Daten an GitHub übermittelt werden.) zugänglich sind. Perspektivisch ist auch die Einbindung weiterer komplexer Algorithmen denkbar. Außerdem könne das Framework auch auf andere Forschungsfragen der Biomedizin übertragen werden. Dabei betonen die Autor:innen, dass sich modell- und datenzentrierter Ansatz keineswegs ausschließen und in der weiteren Forschung möglicherweise auch kombinieren lassen.

Das Framework soll besonders zwei Zielgruppen zur Orientierung dienen – Wissenschaftler:innen aus der Biomedizin und Entwickler:innen von KI-Methoden für die biomedizinische Forschung. „Das Framework unterstützt Biomediziner:innen dabei, KI-Anwendungen sinnvoll in ihren Forschungsalltag zu integrieren ohne selbst alles über KI wissen zu müssen“, erklärt Chen. Für Entwickler:innen bietet das Paper einen Überblick über die Möglichkeiten der datenzentrierten KI und eine Orientierung für zukünftige Entwicklungen.

Publikation

Cao, J., Wenzel, J., Zhang, S., Lampe, J., Wang, H., Yao, J., Zhang, Z., Zhao, S., Zhou, Y., Chen, C., Schwaninger, M., Yang, J., Chen, D. Z., Chen, J.

(2025) Rethinking deep learning in bioimaging through a data centric lens. npj imaging 3, 29.

https://doi.org/10.1038/s44303-025-00092-0

(Anna Becker)

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