Dortmund, 12. März 2025
Für den Körper ist Cholesterin lebenswichtig. Es dient als Baustein vieler Hormone und ist ein zentraler Bestandteil für die Zellmembranen. Wer jedoch zu viel Cholesterin im Blut hat, trägt ein langfristig höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Leider lässt sich dieser so wichtige Gesundheitsparameter bisher nur umständlich erfassen. Als weitgehend unpolarer Stoff wird Cholesterin bei massenspektrometrischen Analysen, die auf polare, also wasserlösliche, Substanzen im Blut abzielen, nur schlecht gesehen. Das bedeutet, dass ein separater Durchgang mit einer anderen Ionisierungsquelle gefahren werden muss, um Cholesterin aufzuspüren. Doch Forschende des ISAS und der Universität Wien haben gemeinsam ein System entwickelt, mit dem sich unpolare Stoffe wie Cholesterin in einem einzigen Durchgang zusammen mit polaren Substanzen zielgenau und schnell massenspektrometrisch nachweisen lassen. Über ihre Entwicklung berichten sie in Analytical Chemistry.
Bei der massenspektrometrischen Analyse werden die Inhaltsstoffe von Blutproben ionisiert, dann durch ein elektrisches Feld beschleunigt und auf der Basis ihres Masse-zu-Ladungsverhältnisses separiert. Auf diese Weise getrennt, ist es einfach festzustellen, wie viel von welchem Stoff im Blut vorhanden ist. Polare Blutbestandteile wie Elektrolyte lassen sich dabei am besten durch ein Elektrospray ionisieren (s. Infobox).
Kombinationsmethode vereint Ionisierungsquellen für verschiedene Analyten
Bei unpolaren Substanzen funktioniert das Ionisieren im Flüssigen allerdings nur ungenügend. Um solche Stoffe zu erfassen, wird die Probe stattdessen meist mit einem heißem Thermospray verdampft und anschließend durch ein Plasma ionisiert. „In derselben Messung können Massenspektrometer nur eine Ionisierungsquelle verwenden, entweder Elektrospray oder plasmabasierte Techniken“, sagt Dr. Daniel Foest, Erstautor der Publikation. „Das heißt, man ist immer auf einem Auge blind.“ Wollen Forschende unpolare Inhaltsstoffe vor allem in geringsten Konzentrationen erfassen, bedeutet dies in der Praxis, dass sie entweder zwei separate Geräte benötigen, die mit verschiedenen Ionisierungsquellen ausgestattet sind, oder aber ihr verfügbares Massenspektrometer zwischen zwei Analysegängen umrüsten. „Wir müssen erst eine Ionisierungsquelle abbauen, die andere Ionenquelle aufsetzen und das Massenspektrometer anschließend neu kalibrieren. Das dauert in der Regel eine Stunde“, sagt Foest. Schon lange suchen Forschende nach einer Möglichkeit, sowohl polare als auch unpolare Stoffe effizient in ein und demselben Analysegang unterzubringen.

Dr. Daniel Foest ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der ISAS-Arbeitsgruppe Miniaturisierung.
© ISAS/ Hannes Woidich
Mit zwei Betriebsmodi zum Erfolg
Viele Forschende setzen dabei an der Probe an, verändern sie auf molekularer Ebene. Diese sogenannte Derivatisierung (s. Infobox) ist jedoch aufwändig und kann im Falle von Cholesterin sogar die Analyse verfälschen. Bei ihrer Suche konzentrierten sich die Dortmunder Wissenschaftler um Foest deswegen auf die Ionisierungsquelle.
„Als Ansatz mag das ungewöhnlich anmuten“, sagt Dr. Sebastian Brandt, korrespondierender Autor und ehemaliger Mitarbeiter der Forschungsgruppe Miniaturisierung. Er fügt hinzu: „Die Ionisierungsquelle wird von den Massenspektrometer-Herstellern mitgeliefert und ist deshalb für viele Anwender:innen eine Blackbox. Unser Ziel war es deshalb, den Vorgang der Ionisierung zu vereinfachen, indem wir zwei Quellen in einem Aufbau vereinen.“
Konkret bauten sie ein am ISAS entwickeltes (und zum Patent angemeldetes) flexibles Mikroröhrenplasma (Flexible Microtube Plasma, FμTP) an ein Massenspektrometer, das standardmäßig bereits mit einer Elektrospray-Ionisierungsquelle ausgerüstet war. „Mit dem FμTP als Hardware Add-on gehen zwei Betriebsmodi einher, zwischen denen hin- und hergeschaltet werden kann. So lassen sich beispielsweise zuerst die polaren und anschließend die unpolaren Substanzen ionisieren, ohne das Massenspektrometer da- zwischen umbauen zu müssen“, resümiert Brandt. Verglichen mit einer herkömmlichen Elektrospray-Ionisierung verbesserte sich die Cholesterin-Ausbeute in einer Leberprobe durch das Zuschalten des FμTP um den Faktor 49.
Elektrospray-Ionisierung
Die Elektrospray-Ionisierung (ESI) ist ein schonendes Ionisierungsverfahren, das in der Massen- spektrometrie verwendet wird. Dabei wird eine zu analysierende Probe mit einem Lösungsmittel vermengt und durch eine feine Metallkapillare in ein elektrostatisches Feld gespritzt. Die Tröpfchen der ausströmenden Lösung stoßen sich dort gegenseitig elektrostatisch ab und zerfallen immer mehr, bis nur noch schwebende, einzelne, ionisierte Moleküle übrig bleiben. Während das Lösungsmittel verdampft, werden die geladenen Analytmoleküle ins Massenspektrometer geleitet und analysiert. In ihrer Studie benutzten die Forschenden eine sogenannte Nano-Elektrospray-Variante (nano-ESI), bei der die Tröpfchen besonders fein ausfallen.

Dr. Sebastian Brandt ist Physiker und war bis vor Kurzem Wissenschaftlicher Mitarbeiter der ISAS-Forschungsgruppe Miniaturisierung.
© ISAS / Hannes Woidich
Automatische Temperaturregelung optimiert neue Hybrid-Variante
Sowohl die Elektrospray- als auch die Plasma-Ionisierung sind laut Foest extrem temperaturabhängig und arbeiten am besten in unterschiedlichen Temperaturbereichen. In monatelanger Tüftelarbeit entwickelte Foest während seiner Dissertation deshalb ein Modell, bei dem einerseits ein Kühlgas und andererseits ein Heizelement die verschiedenen Schritte der Ionisierung unterstützen. Während der Analytische Chemiker in der ersten Version noch händisch zwischen beiden Ionisierungsquellen hin- und herschalten musste, regelt ein elektronisches System das mittlerweile automatisch. „Der Wechsel zwischen den beiden Ionisierungsquellen läuft so schnell, dass er quasi simultan abläuft“, sagt Foest. „Beide Ionisierungsquellen arbeiten jetzt im Optimum und das Massenspektrometer bekommt von dem Hin und Her gar nichts mit“, ergänzt Brandt.
Die Kombinationsmethode stellt eine echte Verbesserung für die Massenspektrometrie dar, davon sind Foest und Brandt überzeugt. Damit ließe sich nicht nur Aufwand und Zeit sparen, sondern auch Proben in kleinen Mengen in einem Durchgang – und damit effizienter – untersuchen. Insbesondere bei Gewebeproben, die nur in äußerst geringen Mengen vorliegen, sei diese Vorgehensweise sinnvoll.
Derivatisierung
Wollen Forschende komplexe Moleküle analysieren, stoßen sie oft auf Herausforderungen, die durch die natürliche Vielfalt der enthaltenen Molekülstrukturen entstehen. Ein Ansatz, um diese Hindernisse zu überwinden und die Analyse zu verbessern, ist die Derivatisierung. Dieser Prozess beinhaltet die gezielte Modifizierung der funktionellen Gruppen eines Moleküls, um bestimmte Eigenschaften, wie die Polarität, zu verändern oder zu verbessern. Im Falle von Cholesterin ist das zwar möglich, allerdings ent- stehen dabei Cholesterinester, die in den Proben oftmals auch vorkommen, und im Endeffekt so das Ergebnis verfälschen und damit zusätzliche Messungen erforderlich machen.
(Ute Eberle)