Dortmund, 13. Oktober 2021
Der demografische Wandel stellt die Gesundheitssysteme weltweit vor eine große Herausforderung. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für viele gesundheitliche Leiden, so auch für eine der laut Weltgesundheitsorganisation Haupttodesursachen weltweit: Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Wenn das fein abgestimmte Zusammenspiel der Zellen im Blutgefäßsystem gestört wird, kann das Entzündungen und Blutgerinnsel (Thrombosen) begünstigen. Das europäisch geförderte Gemeinschaftsprojekt ‚TICARDIO‘ (Thrombo-inflammation in cardiovascular disease) erforscht seit Ende 2019 diese beiden bisher unabhängig voneinander untersuchten Prozesse erstmals gemeinsam unter dem Begriff ‚Thrombo-Inflammation‘. Der bei diesem Projekt verfolgte Ansatz konzentriert sich auf die Schlüsselinteraktionen zwischen Gefäßwand und Blut, die eine entscheidende Rolle in pathologischen Prozessen bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen. Langfristig wollen die Forscher:innen neue Zielmoleküle (Targets) für Medikamentenwirkstoffe und spezifische diagnostische Marker finden. Unter Leitung von Prof. Dr. Albert Sickmann und dem Mentoring durch Dr. Fiorella Solari unterstützt das ISAS für drei Jahre mit dem Forschungsprogramm Krankheitsmechanismen und Targets dazu die Forschung von drei Doktorandinnen.
Thrombozytenregulierung in der Thrombose verstehen
In gesunden Gefäßen produzieren Endothelzellen Stoffe, die an der Regulation des Blutdrucks und der Fließfähigkeit des Blutes beteiligt sind. Um diese Prozesse und ihre Rolle bei der Thromboseentstehung besser verstehen zu können, beschäftigt sich Pengyu Zhang für das ISAS mit der proteomischen Untersuchung von menschlichen Blutplättchen, den Thrombozyten. „Ich konzentriere mich auf die endothelial-abgeleiteten inhibierenden und aktivierenden Wege von Thrombozyten in der Thrombose“, erläutert Zhang. Sie will einen phospho-gezielten Massenspektrometrie (MS)-basierten Assay (Test) entwickeln, mit dem sie Schlüsselmediatoren dieser Wege, wie die Tyrosin-Protein-Kinase Syk, quantifizieren kann. 2020 konnte sie bereits das Gesamt-Syk-Protein und drei verschiedene phosphorylierte Stellen nachweisen. In Zukunft soll eine optimierte Aufreinigung der Kinase für die massenspektrometrische Analyse den Workflow weiter verbessern. Ein weiteres Ziel der Wissenschaftlerin ist es, die verschiedenen Varianten der Phosphorylierungsstellen mithilfe der Ionenmobilitätsspektrometrie zu untersuchen.
Entwicklung eines Gefäß-auf-einem-Chip-Modells
Das zweite TICARDIO-Projekt, an dem sich das ISAS beteiligt, widmet sich der Entwicklung eines entzündlichen Gefäß-auf-einem-Chip-Modells. Das Projekt soll Aufschluss darüber geben, wie Endothelzellen die Thrombusbildung und Gerinnung beeinträchtigen. Die Wissenschaftler:innen am Cardiovascular Research Institute Maastricht (CARIM) der Universität Maastricht gehen davon aus, dass die wechselseitige Verstärkung von dysfunktionalen Thrombozyten und Endothelzellen zu thrombo-inflammatorischen Erkrankungen beitragen. 2020 konnten sie ein reproduzierbares Modell etablieren, das es ermöglicht, die Thrombusbildung und Gerinnung im Blut in Anwesenheit von Endothelzellen zu erforschen. Die Forscher:innen konnten akute Entzündungssituationen imitieren und mittels konvokaler Multicolor-Mikroskopie untersuchen. Sie hoffen, in Zukunft auch Erfolg bei milden entzündlichen Einstellungen wie der Atherosklerose zu haben. Dazu wollen sie die chronischen Gefäßerkrankungen nicht nur simulieren, sondern auch anschließend mit Flüssigchromatographie-Massenspektrometrie Unterschiede auf der Proteomebene erkennen.
(Cheyenne Peters)
Für dieses Projekt wurden Fördermittel im Rahmen des Programms der Europäischen Union für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (Marie Skłodowska-Curie Finanzhilfevereinbarung Nr. 813409) bereitgestellt.

Pengyu Zhang nimmt für ihre Promotion an ‚TICARDIO‘ teil. Für das ISAS arbeitet sie an Testverfahren, mit denen man das Tyrosin-Protein-Kinase Syk quantifizieren kann.
© ISAS
Was ist TICARDIO?
TICARDIO ist ein europäisch gefördertes „Innovative Training Network“ (ITN) für die gemeinschaftliche Ausbildung von Doktorand:innen. Das ITN bietet 15 naturwissenschaftlichen Promovierenden die Gelegenheit, wissenschaftliche und allgemeine Kompetenzen innerhalb eines grenzüberschreitenden Netzwerks auszubauen. Ziel der Variante EJD (European Joint Doctorate) ist die Verleihung eines gemeinsamen Doktorgrads sowie die multidisziplinäre und intersektorale Zusammenarbeit der beteiligten Einrichtungen in der Doktorandenausbildung. Das Netzwerk wird vom Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH) der Universitätsmedizin Mainz koordiniert; außer dem ISAS gehören das Cardiovascular Research Institute Maastricht (CARIM), Niederlande, und die Universität Aix-Marseille, Frankreich, zu den akademischen Partnern. Die Europäische Kommission fördert das ITN als Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahme über 48 Monate mit vier Millionen Euro.