Moderne bildgebende Verfahren gelten als Schlüsseltechnologie in der medizinischen Spitzenforschung. Am ISAS konzentriert sich das Forschungsprogramm 3D-Molekulare Pathologie auf zeitlich und räumlich hochauflösende Darstellungen und Messungen physiologischer und pathologischer Zustände in ganzen Organen, der Gewebestrukturen und Zellen, aus denen sie bestehen, bis hin zu molekularen Bestandteilen, die für die Zellfunktion wichtig sind.
Entzündungen als Grundlage vieler pathologischer Prozesse und positiver Effekte
Verschiedene Forschungsgruppen am ISAS arbeiten an unterschiedlichen Projekten, um die molekularen und zellulären Prozesse zu klären, die immunovaskulären Interaktionen unter entzündlichen Bedingungen zugrunde liegen. Die Forschenden untersuchen diese Zell-Zell-Interaktionen sowohl bei akuten Entzündungsprozessen als auch bei chronischen Autoimmunerkrankungen. Entzündungen bilden die Grundlage vieler pathologischer Prozesse im menschlichen Körper. Außer Verletzungen oder Infektionen können auch „interne“ Ereignisse wie ein Gefäßverschluss eine Entzündungsreaktion auslösen. Beispiele für diese sogenannten sterilen oder aseptischen Entzündungen, bei denen keine Krankheitserreger an der Entstehung beteiligt sind, sind Herzinfarkte, Schlaganfälle, Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Krebs. Eine sterile Entzündung zeichnet sich durch eine massive Infiltration aktivierter Immunzellen (Entzündungszellen) in das entzündete Gewebe und eine systemische Überschwemmung (des gesamten Körpers) mit löslichen Entzündungsmediatoren aus.
Immunzellen, die in Entzündungsherde eindringen, übernehmen bei sterilen Entzündungen aber auch wichtige Aufgaben, wie etwa die Regeneration von Gewebeschäden, die lokale Isolierung von Entzündungsherden durch Abkapselung oder die Bekämpfung von Tumoren. Daher ist es schwierig, die Rolle eines immunologischen Infiltrats eindeutig als „schädlich“ oder „nützlich“ einzustufen. Sowohl der molekulare Kontext, in dem die Immunreaktion stattfindet, als auch ihr zeitlicher Ablauf in Bezug auf das auslösende Ereignis sind für die Bewertung der Auswirkungen einer Immunantwort auf eine sterile Entzündung und damit auch für die Frage, wie Patient:innen am effizientesten behandelt werden können, von zentraler Bedeutung.

© ISAS / Hannes Woidich
Kombination komplementärer Methoden für umfassende Analysen
Beispielsweise mithilfe der Lichtblatt-Fluoreszenzmikroskopie (Light Sheet Fluorescence Microscopy, LSFM), der hochauflösenden Konfokalen-Mikroskopie (Confocal Laser Scanning Microscopy, CLSM) und der Raman-Mikroskopie identifizieren und validieren die ISAS-Wissenschaftler:innen Biomarker, um Herz-Kreislauf- und Autoimmunerkrankungen sowie deren Auswirkungen auf die systemische Integrität (etwa mit der Folge einer Fehlfunktion des Immunsystems) schneller zu erkennen. Um diese Grundlagenforschung in die klinische Praxis zu übertragen, arbeitet das ISAS eng mit verschiedenen Partnern zusammen, zum Beispiel mit dem Institut für Experimentelle Immunologie und Bildgebung am Universitätsklinikum Essen.
Darüber hinaus entwickeln die Forschenden neue komplementäre Mikroskopieverfahren, die den Probendurchsatz und damit die Analysegeschwindigkeit deutlich erhöhen sollen. Des Weiteren untersuchen die ISAS-Wissenschaftler:innen in experimentellen Krankheitsmodellen bei Mäusen oder in Gewebe- und Blutproben von Patient:innen mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) Proben gesamte Organe bis zur Ebene einzelner Zellen. Je nach verwendetem Mikroskop kann eine einzelne Probe Hunderte von Aufnahmen ergeben. Ohne KI wäre es unmöglich, die in diesen Bildern enthaltenen biologischen Informationen schnell und gründlich zu quantifizieren, zu verstehen und sie effizient anzuwenden. Die Mikroskopie ist daher nur eine von vielen Anwendungsbereichen in der medizinischen Bildgebung, in denen die KI die Verarbeitung riesiger Datenmengen kontinuierlich revolutioniert.
Die Kombination von LSFM und CLSM ermöglicht den Wissenschaftler:innen eine 3D-Analyse biologischer Proben von der makroskopischen bis hin zur subzellulären Ebene. Um jedoch morphologische und funktionelle Veränderungen in entzündlichen Geweben mit ihren grundlegenden Mechanismen im molekularen Detail und über einen gewissen Zeitraum hinweg charakterisieren zu können, kombinieren die Wissenschaftler:innen am ISAS zeitaufgelöste CLSM, LSFM und komplementäre analytische Technologien wie Massenspektrometrie (MS), Massenspektrometrie-Imaging (MSI) und hochdimensionale Durchflusszytometrie.
Streben nach einem multimodalen Analyse-Workflow mit nicht-destruktiven, integrativen Analysen
Da ein Erkrankungsmechanismus nicht nur durch die Funktion eines Biomoleküls in einem System, sondern auch durch sein genaues Auftreten in Zeit und Raum entscheidend beeinflusst wird, ebnet die Kombination mikroskopischer Methoden mit allgemeiner und ortsaufgelöster MS künftig den Weg für völlig neue Diagnosemöglichkeiten. Derzeit führen viele der erwähnten bildgebenden Verfahren noch unweigerlich zu einer Zerstörung der Proben. Somit sind die Analysen auf die Anwendung einzelner Methoden beschränkt, die sich auch gegenseitig ausschließen können. Dies ist vor allem bei seltenen Proben wie Humangewebebiopsien problematisch, da umfassende Analysen nur begrenzt möglich sind. Im Forschungsprogramm 3D-molekulare Pathologie arbeiten die ISAS-Forschenden daher an der Harmonisierung und Kombination komplementärer Bildgebungs- und Analysemethoden – mit dem Ziel, neue zerstörungsfreie und integrative Messstrategien zu erhalten. Dieses skalenübergreifende Multimethodenkonzept – in Form von 4D-Analysen – soll die orts- und zeitaufgelöste quantitative In-vivo-Analyse biologisch bedeutender Komponenten auf zellulärer bis molekularer Ebene ermöglichen. Um eine wirklich umfassende multimodale und multidimensionale Analyse und damit ein umfassendes Verständnis biomedizinisch relevanter Prozesse zu ermöglichen, sind wesentliche technische Innovationen erforderlich. Langfristig sollen diese neuen Analyseverfahren in die klinische Diagnostik integriert werden, was wiederum die Prävention und Früherkennung von Erkrankungen sowie personalisierte Therapien verbessern dürfte.