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Immunzellanalyse in entzündetem Gewebe

Je weniger desto besser

Dortmund, 7. Februar 2025

Neutrophile Granulozyten, eine Art von Immunzellen, sind für die Abwehr von Krankheitserregern unerlässlich. Wenn sie jedoch in verletztes Gewebe einwandern, zum Beispiel in das Gehirn nach einem Schlaganfall, können sie chronische Entzündungen fördern und langfristige Schäden verursachen. Um die Proteine der Neutrophilen an Entzündungsherden und damit ihre funktionelle Dynamik zu analysieren, benötigt man Millionen dieser Immunzellen – ein Problem, denn oft sind nur wenige Zellen an diesen Herden zu finden. Forschende des ISAS, des Universitätsklinikums Essen und der Universität Münster haben deshalb eine Methode entwickelt, die eine massenspektrometrische Analyse mit nur 1.000 Neutrophilen ermöglicht. Sie eröffnen so neue Möglichkeiten zur Evaluierung von Immunreaktionen innerhalb einzelner Entzündungsherde. Ihre Ergebnisse, darunter eine frei zugängliche Datenbank und ein Neutrophilen-Proteom-Webservice, haben die Wissenschaftler:innen kürzlich in der Zeitschrift Molecular & Cellular Proteomics veröffentlicht.

Die Analyse des Neutrophilen Proteoms (der Mehrheit aller exprimierten Proteine) kann wertvolle Einblicke in die funktionelle Dynamik der Neutrophilen unter Krankheitsbedingungen liefern. Doch obwohl Neutrophilen bei gesunden Menschen etwa 60 Prozent der Leukozyten (weiße Blutkörperchen) ausmachen, sind es in Entzündungsherden oft weniger als 1.000 Zellen. Die Verfügbarkeit von Probenmaterial kann daher zu einem Problem werden, insbesondere bei seltenen Populationen von Neutrophilen, wie in Tumoren. Bislang mussten Forschende deshalb Zellen von mehreren Menschen oder Tieren zusammenführen. „Mit unserem Ansatz können wir das Proteom von Neutrophilen mit nur 1.000 Zellen aus einem einzigen Entzündungsherd bei einer Person oder einem Versuchstier analysieren. Dies ermöglicht nicht nur spezifischere Neutrophilen-Analysen, sondern schont auch die Probenressourcen, was insbesondere für eine niedrige Zahl von Tierversuchen von Vorteil ist“, berichtet Susmita Ghosh, Erstautorin der Studie und Doktorandin am ISAS.

Öffentlich zugängliche und umfassende Datensammlung als Referenzwert

Um die Anzahl der für die Proteomanalyse mittels Flüssigchromatographie-Massenspektrometrie (Liquid Chromatography Mass Spectrometry, LC-MS) benötigten Zellen zu reduzieren, optimierten die ISAS-Forschende den Proteinverdau während der Probenvorbereitung sowie die Methode der LC-MS-Datenakquise. Auf diese Weise entstanden umfangreiche, speziesspezifische Spektralbibliotheken mit Neutrophilen aus dem Blut von fünf gesunden Menschen und fünf gesunden Mäusen. Die Datensammlungen umfassen jeweils ca. 5.300 menschliche bzw. ca. 6.200 Mausproteine und liefern wertvolle Erkenntnisse über die proteomischen Unterschiede zwischen humanen und murinen Neutrophilen. Die Spektralbibliotheken und der Neutrophilen-Proteom-Webservice sind öffentlich zugänglich, so dass die wissenschaftliche Gemeinschaft sie als Referenzwerte für ihre eigenen Neutrophilen-Analysen nutzen kann.

Neutrophilen-Proteom-Webservice

Forschende aus der Bioinformatik am ISAS haben alle Proteine und ihre Kopienzahlen interaktiv visualisiert.
(Wir möchten darauf hinweisen, dass nach Aktivierung des Links Daten an Zenodo übermittelt werden.)

Susmita Ghosh am Massenspektrometer.

Susmita Ghosh nutzt das Massenspektrometer zur Analyse von Neutrophilen Granulozyten. Die 28-Jährige kam 2021 als Doktorandin in die Forschungsgruppe Biofluoreszenz ans ISAS.

© ISAS / Hannes Woidich

Tabasco-Sauce beweist: Methode ist für verschiedene Entzündungsmodelle geeignet

Die Forschenden validierten ihre Methode, indem sie die Neutrophilen in zwei verschiedenen Szenarien untersuchten. Zunächst analysierten sie Neutrophilen aus den Gehirnen von Mäusen nach einem Schlaganfall. Die Zellen reagierten auf die glukosearme Umgebung, indem sie ihre mitochondriale Aktivität erhöhten und mehr reaktive Sauerstoffspezies produzierten. Darüber hinaus untersuchten die Wissenschaftler:innen menschliche Neutrophilen. Um eine vom Nervensystem ausgelöste kurzfristige Entzündung in der Mundhöhle zu simulieren, spülten sieben Versuchspersonen beim Projektpartner in Münster ihren Mund mit einer Tabasco-haltigen Lösung. Dies führte dazu, dass Neutrophilen aus der Blutbahn in das entzündete Gewebe einwanderten. Es zeigte sich, dass diese transmigrierten Zellen nach der Wanderung ebenfalls funktionelle Veränderungen durchliefen, die die Forscher auch mittels Durchflusszytometrie bestätigten. Die beiden unterschiedlichen Szenarien zeigen: Die Methode inkl. der Spektralbibliothek ist für verschiedene Entzündungsmodelle geeignet.

Noch niedrigere Zellzahlen sind geplant

Die Wissenschaftler:innen arbeiten bereits daran, ihre Methode weiter zu verbessern, berichtet Ghosh: „Langfristig wollen wir proteomische Analysen für eine Handvoll von Neutrophilen ermöglichen, zum Beispiel für besonders kleine Subpopulationen oder sogar einzelne Zellen. Erste Ergebnisse mit nur fünf Zellen sind bereits vielversprechend.“

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