Optimierung der Anämie-Therapie für Patienten
mit chronischer Nierenerkrankung

Immer mehr Menschen leiden an chronischen Nierenerkrankungen (chronic kidney disease, CKD). Mehr als zehn Prozent der Bevölkerung hierzulande – rund 8.3 Mio. Menschen – sind von CKD betroffen.

Die eingeschränkte Nierenfunktion führt bei vielen Patient:innen zu einer Blutarmut. Ursache dieser renalen Anämie ist eine verringerte Produktion des Hormons Erythropoietin (Epo), das für die Bildung von Erythrozyten (rote Blutkörperchen) zuständig ist. So kommt es bei CKD-Betroffenen auch zu Entzündungen und Eisenmangel. Bislang erhalten Patient:innen zur Therapie Epo oder andere sogenannte Erythropoese-Stimulatoren (ESA). Doch besonders diejenigen mit fortgeschrittener CKD haben bei diesen Medikamenten ein hohes Risiko für eine Thrombose, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Beim Therapieerfolg spielen individuelle Faktoren der Patient:innen eine große Rolle. Um die Anämie-Behandlung zu verbessern, entwickeln Forscher:innen beim Projekt NephrESA ein Computermodell, mit dem sich Risiken und Prognosen für die Medikation bei jedem einzelnen Betroffenen ermitteln lassen. Ziel ist es, mit diesem Wissen eine personalisierte und letztlich verbesserte Anämie-Behandlung von Nierenkranken zu ermöglichen.

Ergebnisse finden mittels Computermodell Zugang in die klinische Anwendung

Um die Anwendung und Dosierung Epo-haltiger Arzneimittel zu optimieren und künftig besser individuell auf Patient:innen anpassen zu können, untersuchen die Wissenschaftler:innen, darunter Prof. Dr. Albert Sickmann vom ISAS, zunächst die Komplexität der Wechselwirkungen, Entzündungsprozesse, Veränderungen in der Regulation des Eisenstoffwechsels sowie beispielsweise die Thrombosegefahr bei CKD-Betroffenen. Das Wissen soll anschließend in mathematische Modelle einfließen, damit Ärzte zukünftig belastbare und individuell auf Anämie-Patient:innen zugeschnittene Therapievorhersagen treffen können.

ISAS-Forscher:innen untersuchen, warum Thrombozyten bei CKD-Patient:innen aus dem Gleichgewicht geraten 

Da CKD-Patient:innen häufig unter Blutarmut (Anämie) leiden, erhalten sie Arzneimittel aus der Gruppe der Erythropoese-Stimulatoren (ESA). Diese regen eine Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) an. Zu den Nebenwirkungen der ESA gehören unter anderem ein erhöhtes Thromboserisiko. Um die medikamentöse Therapie zu optimieren und künftig besser zuzuschneiden, untersuchen die Wissenschaftler:innen am ISAS vor allem die Thrombosegefahr. 

Bei einer Thrombose gerinnt das Blut und verstopft als Blutgerinnsel (Thrombus) ein Gefäß. Verantwortlich für diesen Vorgang sind bestimmte Proteine an der Zelloberfläche der Blutplättchen (Thrombozyten), die ihre Aktivierung steuern und so verklumpen. Die Folgen können als Lungenembolie, Schlaganfall oder Herzinfarkt lebensbedrohlich sein.  Je nach Erkrankungsgrad haben CKD-Patient:innen, die zumeist unter Blutarmut (Anämie) leiden und daher mit Epo behandelt werden, ein zwei bis dreimal höheres Risiko für eine Thrombose als andere Menschen. Der Grund dafür ist, dass die Aktivierung und die Zusammenlagerung (Aggregation) der Thrombozyten bei ihnen durch die Therapie mit ESA erhöht sind. Die Behandlung mit ESA, die den Patient:innen bei ihrer Nierenerkrankung helfen soll, birgt somit eine Thrombosegefahr.

Im Teilprojekt 4 am ISAS geht es um den bislang unerforschten molekularen Mechanismus, der dafür sorgt, dass die Thrombozyten bei CKD-Patient:innen aus dem Gleichgewicht geraten. Die Forscher:innen untersuchen mittels Massenspektrometrie Blutplasma und Thrombozyten von CKD-Patient:innen, um Marker für die frühzeitige Aktivierung der Blutgerinnung zu identifizieren. Ziel ist es, damit Patient:innen künftig eine personalisierte Anämiebehandlung mit der niedrigsten Thrombosegefahr zu ermöglichen.

NephrESA wird von Prof. Dr. Timmer (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) koordiniert. Kooperationspartner sind das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg mit Prof. Dr. Ursula Klingmüller, das Universitätsklinikum Heidelberg mit Prof. Dr. Martina Muckenthaler, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) mit Prof. Dr. Tobias Huber und das ISAS.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert dieses Projekt im Rahmen des Bundeshaushaltes (Förderkennzeichen 031L0191D).